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NEWS: Abrupter Abbruch bestehender Geschäftsbeziehungen: die Cour de Cassation klärt die Wirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln in der innerstaatlichen Rechtsordnung sowie von Schiedsklauseln in der internationalen Rechtsordnung.

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Im Rahmen von Rechtstreitigkeiten über den abrupten Abbruch von bestehender Geschäftsbeziehungen hat die Cour de Cassation (französischer Kassationsgerichtshof) ihre Position bezüglich der Wirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln in der innerstaatlichen Rechtsordnung, sowie von Schiedsklauseln in der internationalen Rechtsordnung, mit einer einzigen Entscheidung geklärt.

Der abrupte Abbruch bestehender Geschäftsbeziehungen, der in Art. L.442-6 des Code de commerce (französisches Handelsgesetzbuch) gereglt ist, ist sicherlich die am häufigsten vor den französischen Gerichten vorgebrachte wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweise. Das Besondere an dieser Vorschrift liegt daran, dass sie es ermöglicht, zu kurze vertraglich vorgesehene Kündigungsfristen unter anderem aufgrund der Dauer der Geschäftsbeziehung zu umgehen. Zwar ist diese Vorschrift Teil der öffentlichen Ordnung („ordre public“) im innerstaatlichen Recht, aber die Frage, ob sie auch Teil der internationalen öffentlichen Ordnung ist, bleibt ungeklärt. Deshalb sind Gerichtsstands- und Schiedsklauseln in internationalen Rechtstreitigkeiten von großer Bedeutung. Die Partei, die sich auf die Anwendung des Artikels L.442-6 des Code de commerce (französische Handelsgesetzbuch) beruft, hat Interesse daran, dass ihre Streitigkeit von einem französischen Gericht entschieden wird.

Somit sind die Gerichte häufig mit lebhaften Debatten zwischen Vertragsparteien konfrontiert, da eine Partei in der Regel die Klausel, die die Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts oder Schiedsrichters ausschließen will, während die andere sich auf ihre Anwendung beruft. Die Cour de Cassation hat sich für die Anwendbarkeit von Gerichtsstandsklauseln hinsichtlich des abrupten Abbruchs von bestehenden Geschäftsbeziehungen entschieden, „seien auch Ordre-public Vorschriften auf den Inhalt der Streitsache anwendbar“ (Erste Zivilkammer der Cour de Cassation, 22. Oktober 2008 n°07-15.823 Monster Cable). Je nach Umfang der Schiedsklausel findet laut der Cour de Cassation der Grundsatz der „Kompetenz-Kompetenz“ gemäß Artikel 1448 des Code de Procédure civile (französische Zivilprozessordnung) Anwendung. Nach diesem Grundsatz hat allein der Schiedsrichter die Möglichkeit, über seine eigene Zuständigkeit zu entscheiden (Erste Zivilkammer der Cour de Cassation, 8. Juli 2010, HTC/Doga).

Man könnte nun meinen, dass die Cour de Cassation sich eine endgültige Meinung in diesem Bereich gebildet hat und somit die Anwendbarkeit von Schieds- und Gerichtsstandsklauseln in der internationalen Ordnung anerkannt ist. Jede Situation ist jedoch anders. Aus diesem Grund werden die Entscheidungen, die die Rechtsprechung der Cour de Cassation bilden, immer mit großem Interesse verfolgt.

Hier handelte es sich um den abrupten Abbruch von zwei Geschäftsbeziehungen. Die eine Beziehung beruhte auf einem im Jahr 2005 abgeschlossenen Vertrag, der eine Gerichtsstandsklausel zu Gunsten von den Gerichten von Créteil (Frankreich) beinhaltete, die andere auf fünf im Jahre 2011 abgeschlossene Verträge, die eine Schiedsklausel zu Gunsten von einem Schiedsgericht in Casablanca (Marokko) vorsahen.

Zunächst stellte die Cour de Cassation fest, dass die Cour d’appel (Berufungsgericht) nach freiem Ermessen die Entscheidung getroffen habe, die zwei Geschäftsbeziehungen getrennt voneinander zu behandeln – was auch letztendlich die Hauptfrage des Rechtstreits war. Folglich betrachtete die Cour de Cassation ebenfalls die Anwendbarkeit der zwei Klauseln aus diesen verschiedenen Geschäftsbeziehungen getrennt.

In Anwendung des Grundsatzes der „Kompetenz-Kompetenz“ bestätigte zunächst die Cour de Cassation die Entscheidung der Cour d’appel, die bezüglich des Abbruchs der Geschäftsbeziehungen aus den Verträgen von 2011 die Pariser Gerichte zugunsten des Schiedsgerichts Casablanca für unzuständig erklärt hatte.

Im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsordnung und bezüglich der Verträge von 2005 wies die Cour de Cassation dagegen darauf hin, dass Gerichtsstandsklauseln die ausschließliche Zuständigkeit der in der Verordnung n°2009-1384 vom 11. November 2009 abschließend aufgezählten spezialisierten Gerichte nicht umgehen dürfen.

Aus diesem Grund hob die Cour de Cassation die Entscheidung der Cour d’appel auf, da diese die Zuständigkeit des Gerichts von Créteil zu Unrecht und zu Lasten des Handelsgerichts Paris anerkannt hatte.