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Kartell-, Vertriebs- und Verbraucherschutzrecht

Concurrence Distribution Consommation n°6/2018 – Selektiver Vertrieb und Internet: der Fall Stihl

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  Selektiver Vertrieb und Internet: der Fall Stihl 

Die französische Wettbewerbsbehörde hat am 24. Oktober 2018 eine wichtige Entscheidung (http://www.autoritedelaconcurrence.fr/pdf/avis/18d23.pdf) im Einklang mit der Rechtsprechung Coty des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 6. Dezember 2017 erlassen, mit der die Klauseln von selektiven Vertriebsverträgen, die den Verkauf von Luxusprodukten auf Plattformen, die sichtbar betrieben werden, wie Amazon, verbieten, bestätigt wurden.

Die Entscheidung des EuGH erfolgte nach einer zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25. April 2016. Es folgte eine Reihe von Entscheidungen des Bundeskartellamtes, die Hersteller verurteilten, die in ihren selektiven Vertriebsvereinbarungen ein Verbot für zugelassene Händler vorsahen, Produkte online auf Drittmarktplätzen oder auf Vergleichsseiten wie Amazon oder Ebay zu verkaufen (insbesondere die Fälle Sennheiser in 2013, Adidas in 2014, Asics in 2015).

Der Beitrag der Entscheidung der französischen Wettbewerbsbehörde besteht darin, die Rechtsprechung des EuGH über Luxusprodukte hinaus auf motorisierte landwirtschaftliche Geräte der Marken Stihl oder Viking (insbesondere Motorsägen, Heckenscheren, Gebläse, Rasenmäher) anzuwenden.

Die Wettbewerbsbehörde weist darauf hin, dass die Gültigkeit einer solchen Klausel nicht nur für gefährliche Motorsägenprodukte gilt, sondern ganz allgemein für andere Produkte, da ein solches Verbot es ermöglicht, „zu gewährleisten, dass die betreffenden Produkte nur von autorisierten Händlern verkauft werden und somit ihre Herkunft sicherzustellen sowie sicherzugehen, dass keine Fälschungen oder eine fehlerhafte Verarbeitung der Produkte vorliegen“.

Diese Entscheidung steht im Einklang mit der Auslegung der Coty-Entscheidung durch die Europäische Kommission, die in einer Mitteilung der Auffassung war, dass diese Entscheidung nicht auf Luxusprodukte beschränkt werden sollte.

Dies ist eine willkommene Bestätigung, die die Fundiertheit der selektiven Vertriebsnetze stärkt.

Die Entscheidung betrifft auch die Frage der Beschränkungen, die der Lieferant seinen Händlern bei Verkäufen über das Internet auferlegen kann.

In diesem Fall hatte Stihl seinem Vertriebsnetz aus Sicherheitsgründen eine Übergabe von Gefahrgütern auferlegt, was bedeutete, dass sich der Verbraucher entweder nach dem Kauf im Internet in ein Ladengeschäft begeben musste, um das Produkt nach einer Einweisung zur Handhabung und Übergabe zu seinen Händen in Besitz zu nehmen, oder aber, dass der Händler das Produkt dem Verbraucher nach Hause lieferte und dem Verbraucher die Handhabung des Produkts vorführen musste.

Die französische Wettbewerbsbehörde war jedoch der Ansicht, dass diese Anforderungen im Zusammenhang mit der Einstufung als Gefahrgüter „de facto“ ein Verbot des Verkaufs dieser Produkte im Internet darstellen.

Denn die Wettbewerbsbehörde war der Auffassung, dass dieses Verbot eine Wettbewerbsbeschränkung darstellt, da es ihrer Ansicht nach weder verhältnismäßig noch notwendig ist. Die Frage ist interessant, denn Stihl hat sich auf die intrinsische Gefährlichkeit der Produkte berufen, um die Notwendigkeit einer Einweisung und Übergabe zu eigenen Händen durch einen Händler zu legitimieren.

Die Wettbewerbsbehörde war der Auffassung, dass diese Verpflichtung, auch wenn sie nützlich erscheinen kann, für das verfolgte Ziel nicht notwendig war, und stützt sich bei dieser Einschätzung insbesondere auf die Tatsache, dass die rechtlichen Vorschriften eine solche Handhabung nicht vorschreiben, dass Wettbewerber sie nicht durchführen und dass große Baumärkte eine solche Einweisung nicht vornehmen würden. Daher war die Wettbewerbsbehörde der Ansicht, dass diese Praxis den Preiswettbewerb begrenzte und zur Wiederherstellung der physischen Einzugsgebiete und damit zu einer Verringerung des Wettbewerbs auf dem betroffenen Markt führte.

Aufgrund der Art der Beschränkung konnte Stihl nicht in den Genuss einer Gruppenfreistellung nach Artikel 4c der Verordnung 330/2010 kommen, und konnte auch nicht in den Genuss einer Einzelfreistellung kommen, da nach Ansicht der Wettbewerbsbehörde die in den Gebrauchsanweisungen enthaltenen Vorsichtsmaßnahmen für die Verwendung ausreichend sind und die Beratung durch den Händler, wenn sie auch nützlich sein kann, nicht unbedingt erforderlich ist.

Nach Angaben der Wettbewerbsbehörde sei die Notwendigkeit der Maßnahme nicht nachgewiesen worden, da Stihl nicht in der Lage war, zu rechtfertigen, dass die Unfallrate aufgrund dieser Vorsichtsmaßnahme bei seinen Maschinen niedriger wäre als bei seinen Konkurrenten, die diese Handhabung nicht nutzen würden.

Angesichts der Rechtsunsicherheit in Bezug auf diese Fragen, da das Urteil Pierre Fabre vom 29. Oktober 2008 die Frage der gefährlichen Produkte offen ließ, und unter Berücksichtigung der Marktstruktur, die angesichts der spezifischen Online-Verkäufe in diesem Sektor und der Anzahl der Akteure nur begrenzt betroffen ist, verhängte die Wettbewerbsbehörde eine Geldstrafe von 7 Mio. €. Das Berufungsgericht seinerseits war in der Rechtssache Bang & Olufsen deutlich weniger streng (10.000 €!).

Die Wettbewerbsbehörde schließt restriktive Maßnahmen im Zusammenhang mit der Gefährlichkeit von Produkten grundsätzlich nicht aus, sondern bewertet die betroffenen Interessen von Fall zu Fall.

Wettbewerbsbehörden in anderen EU-Ländern haben nicht gegen das von Stihl eingerichtete System entschieden. Die französische Behörde berücksichtigte diesen Umstand jedoch weder bei der Beurteilung der Einschränkung, noch bei der Festsetzung der Sanktion.

Entscheidung n°18-D-23 : http://www.autoritedelaconcurrence.fr/pdf/avis/18d23.pdf
Pressmitteilung : http://www.autoritedelaconcurrence.fr/user/standard.php?id_rub=683&id_article=3289&lang=fr